„Wie leben Sie mit dieser Schuld, Herr Assad?“ fragte ich den syrischen Staatschef Baschar al-Assad im Oktober 2013, als mein Kollege Klaus Brinkbäumer und ich dem Präsidenten in Damaskus gegenübersaßen. Wir wollten Assad für den offensichtlichen Giftgasangriff seiner Truppen auf das eigene Volk zur Rechenschaft ziehen, zumindest rhetorisch. Viele Kollegen meinten später, uns sei das gelungen. Für mich zählt der auch international beachtete Schlagabtausch mit dem syrischen Herrscher zu den kleinen Höhepunkten in meinem Journalistenleben.
In jenen Tagen in Damaskus wusste ich einmal mehr, warum ich den Beruf des Journalisten ergriffen hatte: Um den vermeintlich Großen jene Fragen zu stellen, denen sie sonst so gerne ausweichen. Und dass ich diese Fragen vor allem im Nahen und Mittleren Osten stelle, hat mehr mit meiner eigenen Vita zu tun, als mit dem SPIEGEL.
Kritische Fragen
Etwas zugespitzt könnte man sagen, dass ich kritischen Fragen an Politiker in der Region meinen Einstieg bei dem Hamburger Nachrichtenmagazin verdanke. Bereits 1979, gut drei Jahre vor meiner SPIEGEL-Zeit, bin ich nach Jerusalem gegangen, weil mich das Land faszinierte und mich der Konflikt um die Heilige Stadt interessierte. In jener Zeit habe ich gemeinsam mit dem heutigen Islamwissenschaftler Michael Lüders meine beiden ersten Bücher verfasst, die 1981 herauskamen und in denen wir unseren Gesprächspartnern auch unliebsame Fragen stellen:
Eine Art Ritterschlag
Für unser Buch „Palästina Protokolle – Bestandsaufnahme und Perspektive“ sprachen wir mit nahezu allen seinerzeit wichtigen israelischen und palästinensischen Politikern, darunter Teddy Kollek, Josef Burg und Jitzchak Rabin auf israelischer Seite sowie Bassam Shakaa, Rashad al-Shawa oder Raimonda Tawil auf der palästinensischen. Die Position der Bundesregierung im Spannungsverhältnis Nahost erklärte der damalige deutsche Botschafter in Israel, Klaus Schütz. Zu den Interviews verfasste der damalige Direktor des Deutschen Orientinstituts Hamburg, Prof. Dr. Udo Steinbach das Vorwort. Für uns eine Art Ritterschlag.
Den Zugang zu den Politikern bekamen wir, weil ich akkreditierter Israel-Korrespondent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) aus Essen war. Bei Deutschlands damals größter Regionalzeitung hatte ich nach dem Abitur volontiert und bis zu meiner Ausreise nach Israel als Lokalredakteur gearbeitet.
Gegen das Vergessen
Das zweite Buch „Blick zurück ohne Hass – Juden aus Israel erinnern sich an Deutschland“ widmete sich speziell dem deutsch-jüdischen Verhältnis. In mehr als einem halben Dutzend Gesprächen mit aus Deutschland geflohenen Juden haben wir versucht, die Verbrechen der Nationalsozialisten aufzuzeichnen und aufzuzeigen, um welchen Preis es Menschen wie Felicia Langer, Inge Deutschkron oder Henry Zoller gelungen war, ihr Leben zu retten und im jungen Staat Israel ein neues zu beginnen. Auch hier war es für uns eine Auszeichnung, dass der bekannte evangelische Theologe Helmut Gollwitzer das Vorwort zu unserem Buch verfasste.
Zugleich konnte ich in meiner Jerusalem-Zeit für den Westdeutschen Rundfunk (WDR) einige längere Radio-Beiträge über Israel verfassen, die auch von anderen Sendern übernommen wurden und – zusammen mit Michael Lüders – für den WDR ein 90-Minuten-Feature zum Nahost-Konflikt produzieren.
Ein Anruf mit Folgen
„Wir haben gehört, Sie sind auf dem Markt.“ So meldete sich dann nach meiner Rückkehr im Sommer 1981 der SPIEGEL, um mir ein Angebot zu machen – dem ich, klar doch, im Oktober nur zu gerne folgte. Von Aids bis Zivildienst habe ich dann zehn Jahre lang als für das Ressort Deutschland über nahezu alle Themen geschrieben, die ersten drei Jahre von Düsseldorf aus, danach wechselte ich in die Zentrale in Hamburg.
Nahost-Korrespondent in Kairo
Im Frühjahr 1991 wurden der Nahe und Mittlere Osten mein home turf: Die Chefredaktion berief mich zum Nahost-Korrespondenten mit Wohnsitz in Kairo. Knapp drei Jahre später kehrte ich vom Nil an die Elbe zurück. In der Zentrale war ich ab dann für die Berichterstattung über die Region Nah- und Mittelost zuständig.
Gemeinsam mit meinen Kollegen habe ich seither viel aus der Region und über die Region geschrieben und wenn man mich fragt, welches größere Stück mir in jüngerer Zeit vielleicht besonders gut gelungen ist, dann würde ich die Titelgeschichten „Der Koran – Das mächtigste Buch der Welt“ oder „Abraham – Der gemeinsame Vater“ nennen. Nicht, weil sie sich jeweils als Weihnachtstitel sehr verkauften, sondern weil sie weit über die aktuelle Berichterstattung hinausgingen. Zu beiden Themen noch mal ein Buch zu machen steht mit auf meiner To-do-Liste.
Spektakuläre Gespräche
Falls man als Journalist denn überhaupt einen gewissen Stolz haben darf, dann hätte ich den im Zusammenhang mit einigen besonders spektakulären Gesprächen, die ich allein oder auch gemeinsam mit Kollegen geführt habe. Aus den letzten Jahren würde ich da besonders meine beiden gut zweistündigen Interviews mit Irans damaligem Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad nennen, die als Titelgeschichten dem SPIEGEL weltweit Beachtung verschafften. Das erste Mal, 2006, begleitete mich mein damaliger Chefredakteur Stefan Aust zu meinem zweiten Gespräch 2009 reiste dessen Nachfolger Georg Mascolo mit.
Für Aufsehen sorgten auch zwei Gespräche die ich in jüngerer Zeit in Damaskus und Kairo führte, an meiner Seite war bei beiden Terminen Klaus Brinkbäumer, Chefredakteur von 2015 bis 2018.
Im Oktober 2013 sprachen Klaus und ich mit dem syrischen Herrscher Baschar al-Assad, kurz nachdem mutmaßlich dessen Armee einen Giftgasangriff auf das eigene Volk geführt hatte. Für mich war es das zweite große SPIEGEL-Gespräch mit Assad.
Im Februar 2015 reisten wir an den Nil, um den ägyptischen Staatschef Abd al-Fattah el-Sisi einzuvernehmen. Es war das erste Mal, dass sich der starke Mann am Nil auf ein mehrstündiges Gespräch mit westlichen und vor allem überaus kritischen Journalisten einließ. Und es sollte auch auf sehr, sehr lange Zeit sein letztes dieser Art sein. Manche sagen, er werde sich nie wieder so scharf befragen lassen.
„Der Reporter für die schwierigen Interviews“
„Dieter Bednarz, 59, ist der Reporter für die schwierigen Interviews. Kaum ein deutscher Journalist dürfte so viele Despoten interviewt haben wie er“, schrieb Paul-Josef Raue am 2. August 2016 im Branchendienst Kress.de. Anlässlich eines vieldiskutierten Fernseh-Interviews mit dem türkischen Machtpolitiker Erdogan wollte Raue von mir wissen, wie man als Journalist denn umgehen solle mit solchen Autokraten. Immerhin hatte ich auch Erdogan schon für den „SPIEGEL“ interviewt.
Verantwortung und Schuld
In allen meinen Gesprächen ging es mir neben länderspezifischen und aktuellen Fragen immer um die Themen Verantwortung und Schuld, Menschenrechte, Demokratie und Legitimität. Ich wollte und will auch weiterhin jene Fragen stellen, die wir als engagierte Journalisten stellen müssen, wenn uns Geschehnisse berühren – ganz im Sinne des SPIEGEL-Gründers Rudolf Augstein. Der hatte einmal gesagt: „Ein leidenschaftlicher Journalist kann kaum einen Artikel schreiben, ohne im Unterbewusstsein die Wirklichkeit ändern zu wollen.“
Zu jung für alt
Im Sommer 2017 habe ich nach 35 Jahren und 10 Monaten meinen Schreibtisch im SPIEGEL geräumt, um in die Freiheit nach dem Berufsleben aufzubrechen. Als Dozent und Vortragsreisender werde ich aber weiterhin tätig sein. Und natürlich auch als Autor von Büchern, die die Welt nicht braucht – aber trotzdem Ihre Leser finden. Irgendwo muss ich ja hin mit meinem Wissen, meiner Erfahrung und meiner Kreativität. Am 1. Oktober 2018 wurde mein Buch im Forum der Körberstiftung zu diesem Wendepunkt in meinem Leben vorgestellt: „Zu jung für alt – Zum Aufbruch in die Freiheit nach dem Arbeitsleben“.
Im Gespräch mit dem iranischen Außenminister Mohammed Javad Zarif
SPIEGEL-Gespräch mit Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei, langjähriger Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA)
SPIEGEL-Gespräch mit Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad (mit dem damaligen SPIEGEL-Chefredakteur Stefan Aust)
Mit Cyrus Reza Pahlevi, Sohn des 1979 gestürzten Schah von Persien, in Paris
Gespräch mit Hassan Rohani, dem späteren Präsidenten der Islamischen Republik Iran
Mit Mohammad Chātami, ehemaliger iranischer Staatspräsident